Stilles Sterben auf hoher See - Weißspitzenhochseehaie fast ausgerottet
19. Februar 2004
Sie galten als die häufigste Haiart schlechthin und waren für Jahrmillionen die Herrscher der Hochsee" nun sind sie akut von der Ausrottung bedroht. Eine neue Studie der Dalhousie Universität in Halifax, Kanada hat aufs neue die alarmierend dramatischen Auswirkungen der industriellen Fischerei auf Haipopulationen aufgezeigt.
Demnach ist bei einer Zählung im Golf von Mexico ein Rückgang der Bestände des Weißspitzenhochseehais (Charcharhinus longimanus) um über 99% festgestellt worden. Die Wissenschaftler um Prof. Ransom Myers nehmen an, dass dieser Trend auch für alle anderen Meeresgebiete des Planeten zutrifft. Dieselbe Arbeitsgruppe hat 2003 in vergleichbaren Untersuchungen im Nordatlantik den Rückgang von allen großen Raubfischen um ca. 90% feststellen können, darunter viele Haiarten, wie Hammerhaie, Makohaie, Seidenhaie und Weiße Haie, aber auch Schwert- und andere Raubfische.
Ursache hierfür ist der maßlose und vielerorts nur schwach regulierte industrielle Fischfang mit immer weiter perfektionierter Technik. Dabei fallen Haie ganz besonders der intensiv betriebenen Langleinenfischerei auf Thun- und Schwertfische zum Opfer. Als Beifang landen sie meist lebend an Deck der Fischerboote, wo sie der Gnade der Fischer ausgesetzt sind. Oft werden ihnen die Flossen abgeschnitten und der Rest des Tieres lebend wieder über Bord geworfen. Diese rücksichtslose und untragbar verschwenderische, als "Finning" bezeichnete Methode wird häufig praktiziert und ist Todesurteil für viele Millionen Haie jedes Jahr. Eine fatale Dynamik — viele Fischer bessern sich durch den lukrativen Handel mit den Flossen das Gehalt auf, einige Fischereigesellschaften zahlen den Fischern absichtlich weniger Lohn, da sie wissen, dass sich die Fischer hierdurch ein Zubrot verdienen. Diese sind somit auf den Handel mit den Haiflossen angewiesen. Die Flossen sind eine hochwertig gehandelte Ware in Asien für die deliziöse Haiflossensuppe.
Da die Haie meist als Beifang gefangen werden, gibt es auch kaum Daten, um eine umfassende Einschätzung des Ausmaßes vorzunehmen. Zwar ist Finning in einigen Nationen wie den USA, Kanada und Teilen Australiens bereits verboten, und auch die EU hat eine wenn auch halbherzige Verordnung 2003 eingeführt; es sind aber weltweite strikte Verbote nötig, um diese Entwicklung wirksam einzudämmen.
Die Wissenschaftler machten ihre Überraschung deutlich, dass eine derart drastische Niederfischung wie im Fall der Weißspitzenhochseehaie unbemerkt von Statten gehen konnte. "Dies ist keineswegs überraschend, Fachorganisationen wie die Deutsche Elasmobranchier–Gesellschaft warnen im Konzert mit internationalen Organisationen wie z.B. IUCN seit vielen Jahren vor den verheerenden Folgen der unregulierten Überfischung der Haibestände weltweit. Viele Hai- und die mit ihnen verwandten Rochenarten sind lokal schon verschwunden und immer mehr Arten rutschen in die kritischen Kategoriern der Roten Liste bedrohter Arten. Der Schaden für das Ökosystem der Ozeane kann kaum überbewertet werden, die Situation ist verheerend. Haie spielen seit Jahrmillionen ökologisch bedeutsame Schlüsselrollen im Ozean, und eine derartige Dezimierung kann nicht ohne ökologische Folgen bleiben. Es wird höchste Zeit, dass die Politik reagiert und den Fang auf Haie weltweit aktiv und umfassend reguliert. Wir sind bereits im roten Bereich."
Boris Frentzel-Beyme