Fortpflanzung

Immer innere Befruchtung

Hochmodern sind Haie auch in ihrer Fortpflanzungsbiologie. Weibchen werden durch Kopulation innerlich befruchtet mittels paariger Begattungsorgane an den Bauchflossen der Männchen. Bei Knochenfischen ist Begattung die extreme Ausnahme, Eier und Sperma werden gewöhnlich ins freie Wasser abgegeben. Das Paarungsspiel bei Haien ist rauh, weil die Männchen sich zum Festhalten an den Flossen oder Rücken der Weibchen festbeißen, die zum Schutz vor ernsten Verletzungen eine bis zu dreifach dickere Haut als Männchen haben. Die Befruchtung der Eier geschieht nicht immer gleich nach der Paarung. Weibchen können das Sperma speichern und quasi selbst befruchten, wenn Umstände und Voraussetzungen für Trächtigkeit gegeben oder günstig sind.

Eier legend und lebend gebärend

Urtümlichere Haie, wie die Mehrzahl der Katzenhaie und alle Stierkopfhaie, legen große Eier in harten, hornschaligen Kapseln am Boden ab, aus denen die Junghaie nach Wochen bis Monaten selbstständig schlüpfen (Oviparie). Die kissenähnlichen leeren Eikapseln solcher Haie wie ebenso der Echten Rochen finden sich oft am Strand angespült (Abbildung: Eikapseln eines Katzenhais).

Etwa zwei Drittel aller Haie aber sind lebend gebärend nach ebenfalls langer Entwicklung und unterschiedlicher Versorgung der Embryonen im Mutterkörper. Bei den meisten lebend gebärenden Haien schlüpfen die Jungen im Uterus aus weichen Ei-Membranen und ernähren sich während ihrer Monate langen Entwicklung meist aus ihren großen Dottersäcken (Ovoviviparie). Bei einer Minderheit solcher Haiarten ernähren sich Embryonen von einer Art 'Milch' aus den Uteruswänden der Mutter; oder sie fressen den Dotter unbefruchteter nachrückender Eier; oder sie sind schon Kannibalen im Mutterleib, fressen nämlich ihre jüngsten Geschwister, bis in jedem Uterus nur ein großer Junghai zur Geburt übrig ist (Sandtigerhaie).

Das Überraschendste aber findet sich bei wenigen 'modernen' Haiarten mit einer plazentalen Versorgung der Embryonen wie bei den erst 200 Millionen Jahre nach Haien entstandenen Säugetieren über eine Nabelschnur aus dem kurzlebigen Dottersack (Viviparie).

Bewährtes Prinzip

Ob Eier legend oder lebend gebärend, das über endlose Jahrmillionen erfolgreiche Fortpflanzungsprinzip zur Arterhaltung bei Haien lautet: wenige, meist große Junge, die ohne Larvenstadium und Metamorphose als vollentwickelte Junghaie schlüpfen oder geboren werden und von Beginn auf sich gestellt sind. Brutfürsorge kennen Haie nicht, im Gegenteil. Die 'Kinderstuben' der Flachwasserhaie liegen meist in Lagunen und Mangrovegürteln des Küstensaums, wohin sich die Muttertiere nur zur Geburt begeben und anschließend sofort in tieferes Wasser zurück kehren (Abbildung unten).

Wenigstens 3-4 Monate, bei den meisten Haiarten 9-12 Monate dauert die Trächtigkeit, ebenso die Zeit bis zum Schlüpfen aus abgelegten Eikapseln. Rekordhalter ist der Dornhai, mit 22-24 Monaten Schwangerschaft, womit er unter den Säugetieren selbst afrikanische Elefanten übertrifft. Nach der Geburt legen Weibchen vieler Haiarten eine Erholungspause von 1-2 Jahren bis zur nächsten Befruchtung ein, was bedeutet, dass sie nur alle 3-4 Jahre Nachwuchs haben.

Knochen- vs. Knorpelfisch

Zum Vergleich: die große Mehrheit der Knochenfischarten wächst und reift schnell, kann sich bereits nach wenigen Wochen oder Monaten, höchstens 1-2 Jahren fortpflanzen. Ein Weibchen produziert hunderte, tausende, ja Millionen Eier, wie z.B. beim Kabeljau, die sich schnell entwickeln. Die Verlustrate gefressener Eier, Larven und Jungfische ist allerdings hoch. Brutfürsorge ist häufig bei weniger fruchtbaren Arten, und viele pflanzen sich mehrfach pro Jahr fort. Nirgends aber gibt es unter Haien annährend Bestandsgrößen, die denen der riesigen Schwärme von zigtausenden Heringen, Makrelen, Sardinen oder Kabeljau entsprächen. Knochenfische setzen Masse und Brutpflege gegen natürlichen Verlust, Haie den erwiesenen Erfolg weniger, voll entwickelter und großer Jungtiere als Überlebensstrategie. Erst unter menschlichem Einfluss verkehrt sich nach Jahrmillionen dieses Konzept zum Nachteil der Haie.

Auszüge aus dem Elasmoskop 1/97 © M. Stehmann